Bäuerliche Organisationen aus Österreich und Indien einig: Produktionssteigerung und Exportoffensiven bieten keine Perspektive für den angeschlagenen Milchsektor

17. Jan 2016 | Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, Lebensmittelproduktion, Politische Rahmenbedingungen, Presseaussendungen, Wir haben es satt

Mit Solidarität zwischen den bäuerlichen ErzeugerInnen und regionaler Vermarktung aus der Krise

Presseaussendung vom 13.01. 2016 von FIAN und IG-Milch

Die Liberalisierung der Milchmärkte, deren jüngster Schritt die Abschaffung der Milchquotenregelung war, bedroht die Existenz vieler milchproduzierender Betriebe in ganz Europa. Die propagierten Lösungen – Produktivitätssteigerungen und Exportorientierung – setzen die bäuerliche Milchproduktion aber auch global unter Druck. Auf Einladung des Bündnisses „Hands on the Land for Food Sovereignty“, dem auch die Menschenrechtsorganisation FIAN angehört, reist derzeit Kannaiyan Subramaniam, Milchbauer aus Tamil Nadu in Südindien durch Europa.
Subramaniam berichtet von einem relativ gut funktionierenden Milchmarkt in Indien, der auf einem Genossenschaftssystem sowie kleinbäuerlicher Produktion aufbaut. „Bei uns liegt der Durchschnitt bei bis zu fünf Kühen pro Hof, oftmals werden die Tiere im Hinterhof gehalten. Ein großer Hof, von denen es aber nur wenige gibt, besitzt bis zu 15 Kühe. 70 Prozent des Marktes liegt in den Händen dieser kleinen Betriebe, und insbesondere in den Händen der Frauen, die die Kontrolle über die Kühe haben.“ Rund 25 Prozent des landwirtschaftlichen Bruttosozialprodukts werde so erwirtschaftet.

Der genossenschaftlich organisierte Milchmarkt in Indien gerät jedoch zunehmend unter Druck, der vor allem vom Überschüsse produzierenden europäischen Milchsektor ausgelöst wird. Private Molkereien, die es seit den Strukturanpassungsprogrammen der 90er Jahre parallel zu den Genossenschaften auch in Indien gibt, werden von großen europäischen Unternehmen aufgekauft. „Erst kürzlich hat die französische Unternehmensgruppe Lactalis eine große private Molkerei, das Unternehmen Tirumala Milk aus Andra Pradesh gekauft. Damit wird das System der Kooperativen wissentlich auch von europäischen Konzernen zerstört. Wir befürchten, dass sich dieser Trend durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien noch verstärken wird“, so Kannaiyan Subramaniam. Vor allem der europäische Milchbranchenverband Eucolait versuche sehr vehement, Zugang zum indischen Markt zu bekommen.

Für Ewald Grünzweil, Milchbauer aus Oberösterreich und Obmann der IG Milch untermauern die Berichte des indischen Milchbauers die Kritik der IG Milch an der Exportorientierung des Milchsektors. „Wie das Beispiel aus Indien zeigt, zerstören Exporte die bäuerliche Milchproduktion in anderen Teilen der Welt. Und auch uns ist mit einer Exportoffensive nach Indien, China oder sonstwohin nicht geholfen.“ Absatzfördernde Maßnahmen seien kein nachhaltig wirksames Instrument zur Bekämpfung der Krise. „Wir brauchen den Mut zu einer Umkehr zu einer Mengensteuerung, zur Drosselung der Produktion und zum Aufbau neuer und solidarischer Vermarktungswege“, so Ewald Grünzweil. Diesen Weg können die Milchbauern und -bäuerinnen in Österreich jedoch nicht ohne die Solidarität zwischen kleinen MilchproduzentInnen weltweit und in Allianzen mit weiteren Teilen der Zivilgesellschaft beschreiten.

Judith Moser-Hofstadler, Milchbäuerin und Vorstandsmitglied der ÖBV-Via Campesina Austria spricht sich ebenfalls gegen die Scheinlösungen der österreichischen und europäischen Agrarpolitik zur Bekämpfung der angespannten Situation auf dem Milchmarkt aus: „Mit dem Anspruch, die Betriebe sollten wachsen, werden nicht nur in Österreich die bäuerliche Landwirtschaft und damit Arbeitsplätze vernichtet, sondern auch in allen anderen Teilen der Welt. Wir müssen weg von einer Landwirtschaft der Ausbeutung hin zu einer Landwirtschaft der Wertschätzung“, so Moser-Hofstadler. Zudem forderte sie, dem Bekenntnis zu bäuerlichen Familienbetrieben endlich Taten folgen zu lassen. Dazu brauche es beispielsweise politische und wirtschaftliche Unterstützung beim Aufbau regionaler und alternativer Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. „Die Interessen von Milchbauern und-bäuerinnen sowie der Bevölkerung müssen im Zentrum einer neuen Milchpolitik stehen und nicht das Interesse der Agrarindustrie!“

Rückfragen:
Judith Moser-Hofstadler: +43 664 2349137; judith.moser-hofstadler@gmx.at
Ewald Grünzweil: +43 664 2023869; e.gruenzweil@ig-milch.at
Kannaiyan Subramaniam: sukannaiyan69@gmail.com

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen